Dienstag, 5. Februar 2008

Zur Schachnotation


Hier eine Seite aus dem ältesten deutschen Schachbuch: Gustavus Selenus, Das Schach- oder König-Spiel, Leipzig 1616. Hinter dem Autornamen verbirgt sich August II., Herzog von Braunschweig und Lüneburg. Der Hauptteil des Werkes ist eine Übersetzung aus dem spanischen "Libro del Axedrez" von Ruy Lopez de Segura. Eingeteilt wird das Schachbrett bei Gustavus Selenus nicht wie heute üblich durch Koordinaten (a4,b5 etc.), sondern durch Nummerierung der Felder von 1 bis 64, rechts unten beginnend:
Entsprechend mühsam ist die Lektüre, z.B. wenn Selenus Eröffnungen beschreibt. Ein Beispiel (S.183): "Nachdem der Weisse/des K.Soldaten auf 28: Der Schwartze/des K. Soldaten auf 36: Der Weisse/des K.Schützen/ auf 30: der Schwarzte/des K. Schützen auf 38: der Weisse/die Königin/auf 12: ... " - mit anderen Worten: 1.e4 e5 2.Lc4 Lc5... (der Bauer ist bei Selenus ein Soldat, der Läufer ein Schütze). Wenn man sich einmal eingelesen hat, findet man viel Interessantes und kulturgeschichtlich Bedeutsames in dem alten Buch. Hier noch ein verblüffendes Zitat: "Die Reussen/oder Moscowiter/spielen das Schach-Spiel/sehr scharfsinnig/und mit besondern fleiß: und seynd in demselben/so geschicket und erfahren/daß meines bedünckens/andere Völcker/mit ihnen/nicht leichtlich zu vergleichen." (S.39)

Der Weg zur heutigen praktischen Notation war lang. In England und Amerika wurde z.T. bis ins 20.Jahrhundert eine Methode verwendet, die in "Chess Praxis" (1886) von Staunton beschrieben und diskutiert wird:





Übersetzung des obenstehenden Ausschnitts:
1.Bauer zum vierten Feld des Königs 1. Bauer zum vierten Feld des Königs
2.Königsspringer zum 3.Feld des Königsläufers 2. Damenspringer zum 3.Feld des Damenläufers
3.Bauer zum 4.Feld der Dame 3. Königsbauer nimmt Damenbauer
4. Königsläufer zum 4.Feld des Damenläufers 4.Königsläufer zum 5.Feld des Damenspringers (Schach) ..... usw.

Das ist zweifellos anschaulicher als die Methode von Selenus, aber doch noch recht umständlich. Der Bezugspunkt ist jeweils die weiße oder die schwarze Seite, nicht das Brett an sich.

Nochmals übersetzt:
1.e4 e5
2.Sf3 Sc6
3.d4 e5xd4
4.Lc4 Lb4 +

Konservative Schachspieler aus dem angelsächsischen Bereich haben sich heftig und lange gegen die "neumodische" algebraische Notation gewehrt, die inzwischen doch Standard geworden ist.

Wichtiger Hinweis: Die obigen Text-Grafiken können mit Mausklick (links) so vergrößert werden, daß sie bequem lesbar sind.